Das Bauchgefühl und der Stress
Mein Bauch und ich sind nicht immer gute Freunde. Viel zu oft mache ich nur das, was mir mein Kopf rät und schiebe das Rumoren in meinem Bauch weit von mich. Es kommt auch oft irgendwie ungelegen – der Bauch ist einfach mit vielen Dingen, die wir tagtäglich so tun müssen nicht einverstanden. Aber ich traue es mich ja kaum zu schreiben (ich möchte ja nicht, dass er noch selbstbewusster wird) – aber ja, zu 99% hat mein Bauch einfach recht. Warum die Natur das so eingerichtet hat, warum unser Kopf immer lauter wird und warum wir keine Balance finden – diese Fragen versuche ich zu klären!
Das Bauchgefühl und unser Bauchgehirn
Wir haben nicht nur ein riesiges Nervengeflecht im Kopf, auch Gehirn genannt, sondern genauso in unserem Bauch. Dieses Geflecht ist sogar umfangreicher als in unserem Rückenmark. Dabei stehen unsere beiden Gehirne im ständigen Austausch – und zwar lustigerweise öfter in die eine als in die andere Richtung. Das heißt zu 90% sendet der Bauch ans Gehirn, aber nur zu 10% in die andere Richtung. Wir bemerken das eigentlich gar nicht bewusst, aber unser Bauch trifft oft schon die Entscheidung, bevor wir noch anfangen können darüber nachzudenken.
Evolutionstechnisch zu erklären ist unser Bauchgehirn mit der Tatsache, dass Essen und Verdauen immer schon fürs Überleben elementar war, aus diesem Grund könnte unser Bauch so sensibel sein. Aus spiritueller Sicht ist unser Bauch das nötig Gegengewicht zum Kopf – denn Gedanken und Emotionen sind zwei Gegenspieler, die sich aber gegenseitig brauchen. Ein verkopfter Mensch wird bei jeder Entscheidung das Für und Wider abwägen aber letztlich nie zu einer Entscheidung kommen – alles durchzudenken macht die Sache meist nicht besser. Ein Bauchmensch tut immer das, was ihm gerade in den Sinn kommt, ohne an die Folgen zu denken – auch nicht das Wahre! Nur in Kombination kann es funktionieren – nur leider hat sich der Kopf immer mehr in den Mittelpunkt geschlichen, während der Bauch zwar schreit, aber oft nicht mehr gehört wird.
Das Bauchgefühl in unserer heutigen Gesellschaft
Es fängt schon im Kindergarten an: wenn sich zwei Kinder nicht verstehen, dürfen sie diese Auseinandersetzung nicht körperlich ausfechten und sind dann entweder beste Freunde oder gehen einander aus dem Weg – nein, man muss darüber reden, Argumente finden, die Hände schütteln – also schön zivilisiert handeln, wir sind ja keine Höhlenmenschen mehr. Das stimmt aber so nicht, denn eigentlich sind wir schon noch genauso wie vor Tausenden vor Jahren, nur halt mittlerweile im Anzug, schön zivilisiert also. Wie dünn aber diese Decke ist, merkt man immer, wenn eine schlimme Katastrophe geschieht – Menschen kämpfen dann mit allen (!) Mitteln um ihr Überleben und das ihrer Nächsten. Und wer übernimmt dann die Führung? Auf jeden Fall nicht unser Verstand…
Das soll jetzt natürlich kein Plädoyer dafür sein, sich in Zukunft die Köpfe einzuschlagen, nur, weil man sich um den Parkplatz streitet – soll aber zeigen, dass unser Verstand uns genauso schnell verlässt, wenn es ums Wesentliche geht. Und das Wesen ist nun einmal nicht der Kopf und die Gedanken, sondern unsere Emotionen und unser Bauch. Wenn wir wieder die Evolution zurate ziehen, sehen wir, dass das Bauchgehirn auch lange vor dem Kopfgehirn vorhanden war, aber nur das Letztere hat uns zu Menschen gemacht. Ratio und Emotio zusammen ergibt ein unschlagbares Team – aber heutzutage darf man seinen Gefühlen kaum nachgeben. Dieser Frust schlägt sich dann lustigerweise oft in Fressattacken um – also holt sich der Bauch letztendlich auf andere Art und Weise sein Gehör!
Unser Bauchgefühl und die Balance
Wie Getriebene arbeiten wir tagaus und tagein. Wir erwachen in der Früh und schon rattert der Kopf und zählt uns auf, was wir heute zu erledigen haben. Viel zu oft hasten wir mit dem Gedanken – nur das muss ich noch machen und dann… Ja, was ist und dann? Meistens setzen wir uns zur „Ent-spannung“ (also eigentlich loslassen der Spannung) hin und starren aufs Smartphone, in den Fernseher, in den Laptop und werden weiterhin mit Informationen überflutet. Da gibt es keine Ent-spannung, nur eine Ver-spannung. Dabei geben wir unserem Verstand immer mehr Macht und Einfluss, er wird immer mehr gefüttert und gemästet, kann keine Informationen mehr aufnehmen. Der Bauch schreit schon gar nicht mehr Halt – er verweigert entweder seine Arbeit (Verstopfung), weil er nichts mehr verarbeiten kann, oder lässt es einfach ungehindert durchfließen (Durchfall), weil aufnehmen kann er ebenso nichts mehr. Manchmal passiert sogar beides im Wechsel…
Nun, wie finden wir noch eine Balance von Ratio und Emotio? Fragt euch einmal, wann ihr euch das letzte Mal einfach nur hingesetzt habt und nichts (!) gemacht habt – kein Smartphone, Essen, Buch, TV, etc. – einfach gar nichts. Nur sitzen und entspannen. Ich wette, die meisten schlafen nach spätestens 5 Minuten ein (ich übrigens auch). Wir sind einfach erschöpft, ausgelaugt, kaputt. Wer jetzt anfängt mit Yoga, Meditation oder autogenes Training – das sind schöne Dinge, aber da müssen wir wieder lernen, da gibt es wieder Informationen, da rattert gleich wieder der Kopf.
Ich habe die Antwort bis jetzt auch noch nicht wirklich gefunden, weiß nur, dass ich am besten abschalten kann, wenn ich mich in den Wald setze und nur höre, fühle, rieche und spüre. Ob das der richtige Weg ist, weiß ich nicht, aber da fühle ich mich als Mensch und ich kann kurz entspannen. Lange funktioniert es leider nicht, bevor wieder das Gedankenkarussell kommt, aber eine kurze Verschnaufpause ist es. Was ich auch versuche, ist, mich konsequent bei jedem Tun auf den Bauch zu konzentrieren – ist er damit einverstanden, fühlt es sich gut an? Es sind kleine Schritte, aber jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt!