Geschenke der Hochsensibilität
Bereits als Kind habe ich mich immer anders gefühlt, als alle anderen. Während die meisten meiner Schulkollegen es liebten laut ihre Launen heraus zu posaunen, mit ihren Geschichten anzugeben oder einfach nur andere zu ärgern, war ich oft schüchtern und liebte es meine Ruhe zu haben und zu lesen. Damals habe ich das nicht verstanden und ich konnte meine Zurückhaltung nur dann überwinden, wenn etwas Ungerechtes geschah – so war ich auch immer die einzige in der Klasse, die sich mit sadistischen Lehrern anlegte und versuchte ihr Treiben zu beenden. Die Kollegen, die sonst immer so laut und unbeherrscht waren, haben dann immer schön ihren Mund gehalten. Lange habe ich mein Verhalten nicht verstanden und war oft ein Außenseiter. Ich fühlte mich immer klein, dünnhäutig und unsichtbar – aber als ich vor ein paar Jahren zufällig auf den Begriff Hochsensibilität stieß und der Test dazu fast 100 Prozent bestätigte, konnte ich mich endlich einordnen. Heute weiß ich was für ein Geschenk meine gesteigerte Sensibilität ist, aber als Kind und noch schlimmer als Jugendliche litt ich darunter sehr.
Anzeichen einer Hochsensibilität
Genauso wie jeder Mensch anders ist, ist es auch bei Hochsensiblen. Keiner gleicht dem anderen – dennoch gibt es einige Anzeichen für Hochsensibilität, die häufig auftreten und die auch Eltern bei ihren Kindern erkennen sollten um ihnen früh den Mut und das Selbstvertrauen zu geben, das sie so dringend benötigen!
- Unwohlsein in großem Menschenansammlungen. Das Gefühl von zu vielen Eindrücken regelrecht erdrückt zu werden. Das Bedürfnis alleine zu sein um wieder Kraft zu tanken.
- Geräusch-, Licht- oder/und Geruchsempfindlichkeit. Schreckhaftigkeit.
- Starke intensive Gefühlswelt, die von Büchern, Filmen oder Musikstücken sehr stark beeindruckt werden kann.
- Probleme bei der Abgrenzung fremder Gefühle. Ein Gefühl des Ausgelaugtseins, wenn man unter Menschen mit starken Gefühlsschwankungen ist.
- Starker Gerechtigkeitssinn.
- Verabscheuung von Gewalt.
- Kinder und Tiere werden besonders gerne gemocht und man kann sich gut in sie hineinfühlen.
- Hohe Empathie – man kann die Gefühle anderer gut erkennen und oft auch selbst mitfühlen. Guter Zuhörer.
- Große Verbundenheit mit der Natur.
- Intensives und vielschichtiges Traumleben.
- Suche nach dem Sinn des Lebens. Spiritualität ist sehr wichtig.
- Überforderung im Alltag bei Stress im Job oder in der Familie. Andererseits große Ruhe in wirklich dramatischen Situationen.
- Gutes Gefühl für Farben, Klänge und Formen.
Gute Hilfen im Alltag bei Hochsensibilität
Im Alltag kann es wichtig sein, sich besser abzugrenzen und seine empfindsame Seele zu schützen. Auch wenn das oft nicht auf Verständnis stößt, müssen wir uns doch darüber bewusst sein, dass wir uns sonst über Gebühr verausgaben, krank werden können oder schlimmstenfalls im Burnout oder in Depressionen landen. Damit das nicht geschieht, gibt es ein paar Tricks bei Hochsensibilität, die mir sehr gut helfen.
Ohne Selbstakzeptanz und Selbstliebe funktioniert es nicht – hör auf, dir darüber Gedanken zu machen, dass du anders bist und dich dafür zu schämen! Du bist besonders so wie du bist und mit deiner starken Sensibilität bist du ein riesiges Geschenk für diese Gesellschaft! Um das zu erreichen ist es wichtig die eigenen Gefühle zuzulassen und nicht zu unterdrücken. Wer auf seinen Bauch hört und ihm gestattet auch unangenehme Gefühle auszudrücken, ohne dass diese verdrängt werden, wird stärker und selbstsicherer werden. Über das Bauchgefühl habe ich bereits hier geschrieben.
Vertrauen in die eigene Wahrnehmung ist ebenfalls ein wichtiger Schritt. Wenn man jemanden kennenlernt und hat dabei ein schlechtes Gefühl – das stimmt immer! Ich kenne das zu Genüge – man lernt jemanden kennen, mag ihn auf den ersten Blick nicht, lernt ihn näher kennen, denkt man hätte sich geirrt, und dann, wenn man sein Herz ganz offen hat wird man bitter enttäuscht. Die eigene Wahrnehmung ist richtig und wahrhaftig – glaub daran und vertraue darauf!
Abgrenzung und die Schaffung eines Schutzmantels ist unerlässlich – der eigene Kraftort im Wald, auf einer Wiese oder in einer Bibliothek kann helfen, wieder zur Ruhe zu kommen. Nimm dir Zeit für dich, grenze dich ab, sage nein und schau, dass du immer in deiner Kraft bleibst. Das geht nur mit Pausen, mit Rückzug und mit kurzzeitiger Isolation. Meine Familie weiß inzwischen, wann es mir zu viel wird, und dann geben sie mir (meistens) die Möglichkeit alleine zu sein. Das ist dein Recht – nimm es dir!
Nimm dir Zeit für deinen Körper und achte auf seine Signale. Jede Krankheit hat eine Botschaft, jedes Unwohlsein will dir etwas sagen und oft werden wir krank, weil wir uns zu sehr verausgabt haben. Wenn ich überreizt bin, dann bin ich schlecht drauf, habe Hitzewallungen oder Schüttelfrost, werde immer hektischer in meinem Tun und bekomme Magenschmerzen. Wer seine eigenen Signale einer Reizüberflutung kennt, kann sofort gegensteuern und sich zurückziehen, bevor er krank wird. Bei Hochsensibilität benutzt der Körper oft Krankheit als letzten Weg, um endlich Ruhe zu bekommen, damit auch die Seele durchatmen kann!
Der Schatz der Hochsensibilität
Vieles klingt danach einfach nur eine Mimose zu sein. Nicht stark genug für die Welt – man hört oft: jetzt reiß dich endlich zusammen, hör auf zu flennen, du musst stärker sein und es kann doch nicht sein, dass du wegen der paar Menschen so nervös bist. Aber das ist nur eine Seite der Medaille – der Schatz, der dahinterliegt, ist es wert geborgen zu werden. Man betritt einen Raum und weiß ganz genau, welche Stimmung herrscht. Man sieht in die Augen eines Menschen und weiß, ob er dir guttut oder nicht. Man tröstet jemanden, der am Boden ist und findet die richtigen Worte. Hier kratze ich nur an der Oberfläche, aber bei Hochsensibilität ist der betroffene Mensch eine Bereicherung. Er ist empathisch, kann Stimmungen erkennen, sieht unter die Oberfläche, hat ein gutes Gespür für Malerei, Musik oder für Texte. Der hochsensible Mensch ist ein Künstler – jeder hat eine andere Begabung. Diesen Schatz zu heben ist das Wertvollste bei Hochsensibilität.
Ich habe lange gebraucht es zu erkennen, aber wir sind etwas Besonderes. Wir erkennen, dass dieser ganze Stress, der Konsum, die Ausbeutung der Erde und der darauf lebenden Menschen nicht richtig ist. Wir sind leise, aber viele – bis zu 20 Prozent der Menschheit ist hochsensibel! Wenn wir aufhören uns dafür zu schämen, wenn wir aufstehen und dazu stehen wie wir sind und wenn wir andere ermutigen es auch zu tun, können wir diese Erde zu etwas Besserem und Schönerem machen. Im Laufe der Geschichte gab es immer sensible Künstler, die uns alle berührten. Ich traue mich zu behaupten, auch sie waren hochsensibel. Mut haben, Grenzen setzen und zu sich selbst stehen – das wünsche ich euch!